Mit den Augen eines Kindes
Gebannt drückte die 1,5-jährige Sara aus der Ukraine ihr Stupsnäschen an die Scheibe der Empore. Hätte ich nur einen Blick in das kleine Köpfchen werfen können. Vielleicht hätte ich darin Faszination für die vielen Sterne des Bühnenbilds vorgefunden. Wenn ihre Wahrnehmungen Worte wären, könnte es vielleicht so klingen:
„Die Musik hat aufgehört. Jetzt kommen da so seltsam angezogene Leute, unterhalten sich und zeigen auf die Sterne. Irgendwann holt einer von ihnen Geschenke (!!!), der andere bringt einen Koffer. Moment mal – solche Koffer haben wir mitgenommen, als wir von zu Hause fort sind. Nichts ist mehr, wie ich es kenne. Das hatte schon mit diesen grässlichen Sirenen angefangen. Da habe ich immer geweint. Aber ich bin bei Mama, das ist alles, was ich brauche. Sitzt sie denn noch hinter mir auf dem Sofa? Zum Glück – da ist sie. Oh, da unten passiert wieder etwas: jetzt sitzen 4 Leute am Tisch und trinken und reden. Wo ist eigentlich meine Trinkflasche? Gerade will ich anfangen zu weinen, da reicht Mama sie mir und ich stille meinen Durst.
Inzwischen sitzen dort unter den Sternen wieder einige Leute um ein Feuer herum. Einer sitzt ein bisschen abseits – er mag sein lustig rundes Kuschelschaf (oder ist es ein Hamster???) offenbar genauso, wie ich meinen Pumuckl.
Heeey! Mein Bruder Tymur macht mir meinen Platz an der Scheibe streitig, da muss ich mich lautstark bei Mama beschweren. Mh, jetzt bekommt er seinen Platz zwischen Oma und Mama – auch begehrenswert, aber halt, da – sehe ich das richtig? Da liegt doch eine Puppe in einem Holzkasten. Die Leute mit dem Koffer und zwei andere stehen um den Holzkasten herum und finden die Puppe offenbar genauso toll wie ich. Die Puppe muss wohl schlafen. Ich erschrecke, denn Mama geht mit Tymur weg – sie ist schon fast die Treppe runter. Und was ist mit mir??? Kommt sie wieder??
Da umfasst mich eine beruhigende Hand – ich schaue mich um – ach ja Debora. Sie hat mal bei uns gewohnt. Aber jetzt wohnen wir woanders. Manchmal hat sie gaaaaaanz lange mit Mama geredet, sodass Mama gar keine Zeit für mich hatte. Debora kann irgendwie nicht richtig sprechen. Aber manchmal hat sie auch mit mir gespielt, wenn Mama nicht da war. Also ich mag sie eigentlich. Ich darf auf ihren Schoß, bis Mama wieder da ist. Da mache ich es doch gleich, wie die Puppe da unten und schlafe in Deboras Arm einfach ein.“
Zurück in meinem eigenen Kopf, hoffte ich, dass Saras Mama Oleksandra von dem Krippenspiel ebenso fasziniert war, wie ihre Tochter, trotz der vielen Bedürfnisse ihrer kleinen Kinder. Ja ich sorgte mich sogar darum. Bis mir spätestens beim Schlusswort des erwachsenen Jesus klar wurde, dass nicht ICH mich um den Boden, auf den Gottes Wort gesät wird, sorgen muss. Es reicht, wenn ich aussäe. Gottes Aufgabe ist es, sich um jeden Herzensboden zu kümmern. Um jedes Herz, das heute zum Heiligabend die Reise der Sterndeuter verfolgte, oder sich in einer der vier Personen am Stammtisch wiederfinden konnte. Jede dieser 4 Personen hatte ihre eigene Begegnung mit dem neugeborenen Jesus. Jede gestaltete daraufhin ihr Leben auf unterschiedliche Weise, je nachdem, welchen Boden sie verkörperte: den Dornenboden, den Steinboden, den Weg oder den fruchtbaren Boden (Lukas 8,4-14). Meine Sorgen wurden zu einem Gebet: Dass Sara und ihre Familie eines Tages mit ihren Koffern beim „Püppchen im Holzkasten“ ankommen und ihre Heimat dort finden.
DEBORA C.
… feierte den überdimensionalen Hamster